Wie wirkt Meditation auf die Psyche, den Körper und das Gehirn?

Meditation kann weit mehr als nur die Konzentration verbessern und in stressigen Zeiten zur Entspannung verhelfen.

Aber dafür braucht es eine regelmäßige Praxis: mindestens 3x 20 Minuten jede Woche. Alle paar Wochen eine geführte Meditation anzuhören, reicht nicht.

Das wäre, als würdest du 1x im Jahr Zahnseide benutzen und beim nächsten Check-up 1A gepflegte Zahnzwischenräume erwarten. (Schön wär's! 🙃)

Eine Meditationspraxis zu etablieren, kostet Mühe und braucht vielleicht mehrere Anläufe – das kenne ich gut. Aber:

Es lohnt sich!

Lass dich von dieser wissenschaftlich gut belegten Reihenfolge von Meditationseffekten zum Dranbleiben motivieren.

💪

Inhaltsverzeichnis

Brauchst du ein:e Meditationslehrer:in?

Die Sache mit der Henne und dem Ei

Meditationseffekte — von Aufmerksamkeit bis prosoziales Verhalten

#1 Verbesserte Aufmerksamkeitslenkung & Konzentration

#2 Produktiver statt reaktiver Umgang mit Gedanken und Gefühlen

#3 Frühzeitige Stresserkennung durch verfeinerte interozeptive Wahrnehmung

#4 Gesteigerte körperliche Entspannungsfähigkeit & Wohlbefinden

#5 Strukturelle Veränderungen im Gehirn

#6 Selbstakzeptanz & verbesserte Beziehungsqualität

#7 Entwicklung von Mitgefühl und Herzensgüte

#8 Prosoziales Verhalten

Stabilisierung der Effekte über immer längere Zeiträume

Brauchst du ein:e Meditationslehrer:in?

Aus meiner Erfahrung braucht es für alles, was über verbesserte Aufmerksamkeitslenkung und Entspannungsfähigkeit hinaus geht, neben der regelmäßigen Meditationspraxis eine gute Anleitung.

Und: Meditation ist kein Allheilmittel, kann aber ein mächtiges Werkzeug sein. Auch negative Auswirkungen sind möglich, zum Beispiel eine Verstärkung von Angstzuständen über eine verfeinerte Wahrnehmung von Körperempfindungen.

Deshalb ist eine persönliche Begleitung durch eine:n erfahrene:n Meditationslehrer:in, zumindest zu Beginn und von Zeit zu Zeit, hilfreich.

Was auch oft vergessen wird: Wenn du psychisch instabil bist oder unter chronischem Schmerz leidest, sprich bitte mit deine:r Ärzt:in oder Therapeut:in, bevor du mit einem Meditationsprogramm beginnst. Meditation ersetzt keine Psychotherapie.

Die Sache mit der Henne und dem Ei

Die am besten erforschte Meditationsform ist Achtsamkeitsmeditation, wie sie auch im 8-wöchigen Achtsamkeitsprogramm MBSR (Mindfulness-based Stress Reduction) gelehrt wird.

Mehr zu MBSR erfährst du hier.

Meditation zu erforschen, ist nämlich nicht so einfach:

Wenn Wissenschaftler:innen wie Richard Davidson, einer der ersten Meditationsforscher, langjährig intensiv Meditierende in die MRT-Röhre schieben und dort meditieren lassen, oder Hirnströme via EEG messen, können sie zwar beobachten, was während der Praxis im Gehirn geschieht und erhalten Auskunft über die Beschaffenheit der Hirnstrukturen der meditierenden Person.

Aber ist das Beobachtete wirklich Resultat mehrerer 10.000 Stunden Praxis über Jahrzehnte, oder war es, umgekehrt, Bedingung dafür, dass dieser Mensch (oft ein Mönch) sich überhaupt erst der Meditation gewidmet hat?

Abschließend lässt sich das nicht sagen. Mit 100 %iger Sicherheit können wir also nicht wissen, ob diese wunderbare Verjüngung des Gehirns, die beeindruckende Impulskontrolle und das feine Körpergespür wirklich Ergebnis intensiver Meditationspraxis sind.

Dass wir heute trotzdem so präzise Aussagen über die Effekte von Meditation treffen können, liegt vor allem an standardisierten Programmen wie dem 8-wöchigen Achtsamkeitstraining MBSR:

Das ist inzwischen sehr gut erforscht und weil es verhältnismäßig intensiv ist – die Teilnehmer:innen üben zusätzlich zu wöchentlichen Treffen à 2.5 bis 3 Stunden mindestens 40 Minuten formale Achtsamkeitsmeditation täglich zuhause und akkumulieren so ~50 Stunden Meditationserfahrung – lassen sich zahlreiche positive Veränderungen im Gehirn und Verhalten der Teilnehmer:innen beobachten.

Weil dieses Training immer gleich abläuft, lässt sich gut sagen, welche Veränderungen zu erwarten sind. Und wenn in Studien parallel eine Kontrollgruppe untersucht wird, die nicht meditiert, sondern beispielsweise jeden Tag einen 40-minütigen National-Geographic-Artikel zu hören bekommt, können die Effekte von Meditation nach Ablauf der 8 Wochen präzise beobachtet werden.

Viele der hier genannten Ergebnisse beziehen sich deshalb explizit auf Achtsamkeitsmeditation.

Los geht’s also mit den Meditationseffekten. ⬇️

#1 Verbesserte Aufmerksamkeitslenkung & Konzentration

Das, worauf es die meisten abgesehen haben, passiert am schnellsten: Meditation stärkt schon nach kurzer Zeit deine Fähigkeit, bei der Sache zu bleiben.

Leicht zu erlernende Meditationstechniken wie die Atembetrachtung verstärken die selektive Aufmerksamkeit, reduzieren Ablenkung und führen zu messbaren Veränderungen in Hirnregionen wie dem präfrontalen Kortex, der für Konzentration und Impulskontrolle zuständig ist (Jha et al., 2007; Zeidan et al., 2010).

#2 Produktiver statt reaktiver Umgang mit Gedanken und Gefühlen

Meistens identifizieren wir uns mit unseren Gedanken, was zu Grübelei führen kann. Meditation hilft, uns bewusst zu machen, dass wir nicht jeden Gedanken denken müssen.

Das kann enorm erleichternd sein – für viele ist es DIE Erkenntnis zu Beginn ihres Meditationswegs.

Meditation, vor allem Achtsamkeitstraining, stärkt außerdem Hirnregionen wie den präfrontalen Kortex und den anterioren cingulären Kortex – beide sind für Selbstregulation und Emotionskontrolle zuständig.

Das bedeutet: Du wirst emotional stabiler und kannst stressige Situationen mit mehr Klarheit und weniger Reaktivität meistern (Zeidan et al., 2010; Hölzel et al., 2011).

Mit regelmäßigem Üben lernst du, nicht mehr auf jeder emotionalen Welle zu reiten – sondern bewusst zu entscheiden, wie du darauf reagieren möchtest.

#3 Frühzeitige Stresserkennung durch verfeinerte interozeptive Wahrnehmung

Meditation macht dich sensibler für das, was in dir passiert. Du nimmst früher wahr, wenn sich innere Anspannung aufbaut – aber auch, wenn sich etwas gut anfühlt. So kannst du schneller reagieren. Oder einfach länger genießen.

#4 Gesteigerte körperliche Entspannungsfähigkeit & Wohlbefinden

Meditation ist ein kraftvolles Werkzeug zur Stressbewältigung. Bereits nach kurzer Zeit zeigt sich eine messbare Reduktion von Stresshormonen wie Cortisol.

Über die Aktivierung des Parasympathikus führt Meditation zu einer spürbaren Reduktion der körperlichen Anspannung und einer Zunahme des subjektiven Wohlbefindens (Kabat-Zinn et al., 1992; Davidson & Kabat-Zinn, 2003).

Regelmäßige Meditation senkt den Blutdruck, stabilisiert die Herzfrequenz, fördert die körperliche Entspannung, und führt so zu einer verbesserten Erholung von Stress (Goyal et al., 2014).

#5 Strukturelle Veränderungen im Gehirn

Meditation verjüngt das Gehirn: In Bereichen, die für Selbstregulation, Fokus und emotionale Balance zuständig sind, verlieren wir im Alter an grauer Substanz.

Verschiedene Studien zeigen, dass Meditation den Abbau dieser Hirnregionen umkehren kann.

#6 Selbstakzeptanz & verbesserte Beziehungsqualität

Meditation stärkt deine Selbstwahrnehmung und hilft dir, dich selbst anzunehmen – mit all deinen Stärken und Schwächen.

Diese innere Akzeptanz spiegelt sich in deinen Beziehungen wider: Du wirst empathischer, verständnisvoller und bist besser in der Lage, Konflikte gelassener und konstruktiver zu lösen.

#7 Entwicklung von Mitgefühl und Herzensgüte

Loving Kindness Meditation (Metta Bhavana oder Liebende Güte Meditation) kultiviert gezielt wohlwollende Gedanken für sich selbst und andere.

Schon 15 bis 20 Minuten tägliche Praxis über 2 bis 4 Wochen führen nachweislich zu mehr Mitgefühl und positiven Gefühlen: Studien zeigen, dass Metta Hirnregionen aktiviert, die mit Empathie und emotionaler Verbundenheit verbunden sind.

#8 Prosoziales Verhalten

Meditation wirkt sich nicht zwangsläufig positiv auf zwischenmenschliche Beziehungen aus, aber Formen wie Mitgefühlsmeditation (Karuna Bhavana) und Dyaden steigern nachweislich nicht nur Empathie, sondern auch Altruismus:

Wir reagieren freundlicher auf andere und sind eher bereit, zu helfen.

Stabilisierung der Effekte über immer längere Zeiträume

Das menschliche Gehirn formt sich entsprechend seiner Nutzung. Wenn du dran bleibst, verstärken und stabilisieren sich die positiven Effekte der Meditationspraxis strukturell im Gehirn und spürbar im Verhalten.

Je nachdem, welche Meditationsform und wie lange du übst, locken nicht nur mehr Konzentration und Entspannung, sondern auch Resilienz, Freundlichkeit, emotionale Stabilität und Gelassenheit.

Für welchen dieser Effekte setzt du dich am ehesten aufs Meditationskissen?

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Der richtige Meditationssitz (für Anfänger:innen und Fortgeschrittene)